30.04.2025

New Work: Mehr als Homeoffice und Tischkicker

Beim ESB Wirtschaftsforum 2025 diskutieren Expertinnen und Experten über die neue Arbeitswelt.

Daniel Schneider ©

Diskutierten beim ESB Wirtschaftsforum in der Aula der Hochschule Reutlingen über die neue Arbeitswelt: Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft.

Was ist New Work? Die fünf Referentinnen und Referenten des 29. ESB Wirtschaftsforums waren sich einig: Eine einheitliche Definition des Buzzwords gibt es nicht. Sicher ist: Die Studierenden der ESB Business School, die jedes Jahr die öffentliche Podiumsdiskussion an der Hochschule Reutlingen organisieren, werden aus der neuen Arbeitswelt Vorteile ziehen. Sie beschert ihnen mehr Flexibilität und stiftet Sinn. Aber nicht alle profitieren von New Work gleichermaßen.

Während der Corona-Pandemie hat sich das Homeoffice für viele Angestellte als neuer, unumkehrbarer Standard etabliert. Dachte man. Jüngste Meldungen zeigen: Die Unternehmen holen ihre Mitarbeitenden wieder zurück in die Firma – „Back to the Office“ heißt nun die Devise. Ist New Work damit tot? Nein, denn das Homeoffice ist nur ein Aspekt von New Work. Das neue Arbeiten hat viele Facetten, wie sich im Lauf der zweistündigen Diskussion in der voll besetzten Aula der Hochschule zeigte.

Eine griffige Definition lieferte Prof. Dr. Arjan Kozica, Vizepräsident für Studium, Lehre, Weiterbildung der Hochschule Reutlingen, gleich in seiner Einführung: „New Work macht Arbeit besser.“ Der Erfinder des Kunstworts, der Sozialphilosoph Frithjof Bergmann, hatte Arbeit einst als milde Krankheit bezeichnet, die es durch kürzere Arbeitszeiten zu heilen gelte. Kozica widersprach vehement: Arbeit sei keineswegs eine Krankheit, sondern gesellschaftliche Arbeitsteilung, sie leiste einen Beitrag zur Demokratie: „New Work steht für eine menschenzentrierte, gerechte Arbeitswelt.“

Und für Sinnstiftung, Autonomie, Flexibilität und Sicherheit, ergänzte Filip Weidenbach, HR Project Manager New Work Practices beim Softwarekonzern SAP. New Work bedeute nicht Hängematte – ganz im Gegenteil, so Weidenbach: „An New Work sind oft besonders leistungsbereite Mitarbeitende interessiert.“ Und von diesen profitierten auch die Unternehmen – durch bessere Qualität und höhere Effizienz. Allerdings brauche New Work Regeln – und Zeit. Ein bis drei Jahre dauere die Transformation, bis Führungskräfte ihre neue Rolle gefunden hätten.

Carlos Frischmuth warnte davor, gewachsene Strukturen überstürzt durch hippe Co-Working Spaces zu ersetzen. In seinem Buch „New Work Bullshit“ setzt sich der Managing Director beim Personaldienstleister Hays kritisch mit dem Modebegriff auseinander: „New Work ist eine Projektionsfläche für Erwartungen, die mitunter zu Verbitterung führt.“ Statt Fake-Versprechen sollten Unternehmen glaubwürdige und nachhaltige Angebote machen. Diese könnten für jeden Mitarbeitenden anders aussehen. Der eine lege Wert auf einen flexiblen Arbeitsplatz, andere wollten ein hohes Gehalt und wieder andere einen schnellen Aufstieg auf der Karriereleiter.

Um New Work ranken sich viele Vorurteile – zum Beispiel dieses: Die Generation Z ist faul und deshalb besonders an New Work interessiert. Mit David Döbele und Samuel Casha saßen gleich zwei Gegenbeispiele auf dem Podium. Casha ist Student an der ESB Business School und erfolgreich als Gründer des Cloudsoftware-Startups WRING. Gerade erst hat er die völlige Home-Office-Freiheit für die sieben Mitarbeitenden abgeschafft: „Ein Zoom-Call ersetzt nicht persönliche Treffen.“ Die Rückkehr ins Büro ist für ihn eine Rückkehr zur Normalität, keine Abkehr von New Work.

David Döbele, mit über 200.000 Followern einer der bekanntesten Wirtschafts-Influencer im deutschsprachigen Raum, berät mit seiner Karrierecoachingplattform Pumpkincareers ambitionierte Studierende, die den Einstieg etwa ins Investment-Banking suchen. Für Döbele selbst sind 80 Arbeitsstunden pro Woche normal – aber kein Muss. Und auch kein Widerspruch zu New Work. Jeder Mitarbeitende solle für sich den Grad von New Work wählen können. Die Kritik, er führe seine jungen Kunden geradewegs in den Burnout, lässt Döbele nicht gelten. Die Überforderung, die auch er beobachte, komme vor allem durch die vielen Möglichkeiten und den ständigen Vergleich mit anderen. „Die Arbeit selbst ist ja nicht härter geworden.“

Dr. Josephine Hofmann nennt das den Tinder-Moment: So wie man auf der Dating-Plattform ständig Angst habe, den Traumpartner zu verpassen, führten auch die vielen Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu überzogenen Erwartungen. Die Leiterin des Forschungsteams Zusammenarbeit und Führung des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO sieht bei der Diskussion über New Work eine Verengung auf mobiles Arbeiten und die Abschaffung von Hierarchien. Den Befund von Carlos Frischmuth, von New Work profitierten nur Wissensarbeiter, teilt Hoffmann dagegen nicht. Die Fraunhofer-Wissenschaftlerin hat mehrere Projekte durchgeführt, etwa zur Flexibilisierung von Schichtplänen in der Pflege. Sie schränkt aber ein: „Nicht jeder hat Lust auf New Work.“ Aber New Work könne zu produktiver Arbeit beitragen, die Menschen erfülle und gesund halte. „Der Tischkicker schafft das nicht.“

Über das ESB Wirtschaftsforum

Moderatorin des ESB Wirtschaftsforums 2025 war Carmen Hentschel, Expertin und Beraterin für Digitalisierung und Zukunftsthemen. Die öffentliche Veranstaltung wurde zum 29. Mal von Studierenden der ESB Business School organisiert. Die Mitglieder des diesjährigen Kernteams waren Vanessa dos Santos Keller, Jan Sallwey, Max Hufschmidt, Marit Lemke, Laura Mattern, Ludwig Knab, Isabella Brosel-Carlson und Hanyi Shen.